Kunsthistorisches Museum Wien

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Hammerflügel |
Objekt von Frida Gerngross
alias Maria Gardi

Autorin:
Monika Löscher
Die Erwerbung des Promberger Hammerflügels in der NS-Zeit

Im März 1940 erwarb die Sammlung alter Musikinstrumente des Kunsthistorischen Museums einen Hammerflügel der Marke Promberger. Im Inventarbuch der Sammlung wurde unter „SAM 440“ verzeichnet, dass das Objekt vom Instrumentenerzeuger Anton Jirowsky31 in Wien 3, Lothringerstraße 16 zum Preis von 550 Reichsmark angekauft wurde. Handschriftlich hinzugefügt wurde, dass der Hammerflügel nicht über ein Notenpult verfügte. Jirowsky war jedoch nur ein Zwischenhändler, Verkäuferin war eigentlich Maria Gardi / Frida Gerngross. Der Kurator der Sammlung, Viktor Luithlen (1901–1987), berichtete am 1. Februar 1940 der Museumsleitung:
„Bei Frau Maria Gardi (Gerngross), Wien I., Reichsratstrasse 17 (Telephon B 40-0-40), ist ein Hammerflügel mit dem Schild: ‚1804/Johan Promberger in Wien‘ zum Verkauf. [...] Die Besitzerin hat einen Verkaufspreis von etwa RM 2000,– im Auge. Mir würde ein Höchstpreis von RM 500,– angemessen erscheinen, doch bitte ich um Weisung, ob dieser Höchstpreis in keinem Falle überschritten werden darf.“32
Luithlen beschrieb den Flügel als ein mit „Intarsien und Bronzeauflagen reich geschmücktes Möbelstück der Empirezeit“ und empfahl den Ankauf.33
Heinrich Klapsia (1907–1945), zum damaligen Zeitpunkt Leiter der Sammlung alter Musikinstrumente, ergänzte einen Tag später, am 2. Februar 1940, handschriftlich:
„Der ursprünglich von Frau Gardi geäußerte Preis gründet auf einem Gespräch mit mir, bei dem mir das Lichtbild des Flügels und die Versicherung der Besitzerin vorlagen, daß das Klavier völlig spielfähig und intakt sei. Der Besuch Luithlens und nachher auch Sobolaks [Restaurator der SAM, Ergänzung der Verfasserin] ergab, daß im Inneren des recht anziehenden Möbels eine völlige Ruine sich befindet.“34

Nur wenige Wochen später, am 28. März 1940, berichtete Luithlen an den kommissarischen Leiter des Kunsthistorischen Museums Fritz Dworschak (1890–1974), dass Frida Gerngross sich bereit erklärt habe, das seinerzeitige Angebot von 500 Reichsmark nun anzunehmen – noch am 10. Februar 1940 hatte sie das Angebot telefonisch als zu niedrig abgelehnt.35 Zwei Tage später wurde das Instrument um 550 Reichsmark angekauft.36

Frida Gerngross versuchte verzweifelt an Geld zu kommen, um in den immer schwieriger werdenden Umständen ihr Leben finanzieren zu können. Auf ihrer Meldekarte im Wiener Stadt- und Landesarchiv ist vermerkt: „lt. Mitteilung der Kripo III B als Elfriede G. am 4.7.41 als Betrügerin dem LG Wien I eingeliefert 6.7.41 und am 23.9.41 auf freiem Fuß.“ Was genau ihr Vergehen gewesen sein soll, kann heute leider nicht mehr ermittelt werden. Die Nachfrage im Wiener Stadt- und Landesarchiv ergab, dass kein Strafakt mehr existiert. Im Register des Landesgerichts für Strafsachen für 1941 (WStLA, LGS, B14: 183) fand sich folgender Eintrag: „Zahl: 1763, Tag des Einlangens: 28.7., Aktenzeichen der Staatsanwaltschaft: 7 St 12329/41, Gerichtsabteilung: 121a 101, Elfriede Gerngross, § 149 ff. Stg., Faktum zu 121 Vr 212/42 ausgeschieden.“37 Laut Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich behandelte dieser Paragraf die Vorbereitung der Fälschung von Geld und Wertzeichen.38 Bekannt ist, dass Frida Gerngross bemüht war, weitere Einrichtungsgegenstände zu Geld zu machen. So wollte sie auch ein sogenanntes Giraffenklavier – ein Fabrikat von J. Seiter in München – an die Sammlung alter Musikinstrumente verkaufen, die jedoch kein Interesse zeigte.39 In einem späteren Vermerk wurde festgestellt, dass die Giraffe im Mai 1943 im Dorotheum wieder aufgetaucht sei.40 Laut Auskunft des Dorotheums gab es am 6., 13. und 20. Mai 1943 Versteigerungen im Franz-Joseph-Saal. Da diese Auktionen ohne Katalog stattfanden und auch die Mitteilungen aufgrund der mangelhaften Papierzuweisung nur mehr rudimentär waren, ist die Versteigerung dieses Instruments nicht nachweisbar, sein Verbleib demzufolge ungeklärt.41
Die Erwerbung des Promberger Hammerflügels im Jahr 1940 wurde nach systematischer und proaktiver Provenienzforschung in der Sammlung alter Musikinstrumente als bedenklich im Sinne des Kunstrückgabegesetzes eingestuft und ein entsprechendes Dossier dem Kunstrückgabebeirat vorgelegt. Dieser sprach in seiner Sitzung vom 15. Oktober 2015 eine Rückgabeempfehlung aus. Diese Restitutionsempfehlung erfolgte zugunsten der Rechtsnachfolger*innen nach Marie Gerngross, Fridas Tochter, da nur in der Vermögensanmeldung von Marie ein Flügel angeführt ist.42

Die Suche nach den Rechtsnachfolger*innen nach Marie Gerngroß ist mittlerweile abgeschlossen, an einer Lösung im Sinne der Erbengemeinschaft wird gearbeitet.

 
31 Entweder handelte es dich dabei um den Geigenbauer Anton Jirowsky I. (1877–1941) oder um dessen Sohn Anton Jirowsky II. (1904–1951).
32 KHM, Sammlung alter Musikinstrumente, 35/SAM/39/40, Luithlen an Dworschak, 1.2.1940.
33 Vgl. KHM, Sammlung alter Musikinstrumente, 35/SAM/39/40, Luithlen an Dworschak, 1.2.1940.
34 KHM, Sammlung alter Musikinstrumente, 35/SAM/39/40, handschriftliche Ergänzung Klapsia, 2.2.1940.
35 Vgl. KHM, Sammlung alter Musikinstrumente, 35/SAM/39/40. Handschriftlicher Vermerk im Bericht vom 1.2.1940. 36 Vgl. KHM, Sammlung alter Musikinstrumente, 35/SAM/39/40, Luithlen an Dworschak, 28.3.1940.
37 E-Mail-Auskunft von Andreas Weigl (22.6.2015).
38 Vgl. https://lexetius.com/StGB/149,4 (7.3.2018).
39 Vgl. KHM, Sammlung alter Musikinstrumente, 35/SAM/39/40, Luithlen an Dworschak, 1.2.1940.
40 Vgl. KHM, Sammlung alter Musikinstrumente, 35/SAM/39/40, handgeschriebener Vermerk von Luithlen, 25.5.1943.
41 Vgl. E-Mail-Auskunft von Felicitas Thurn-Valsassina (6.7.2015).
42 Vgl. OeStA, AdR, E-uReang, VVSt, VA 25320, Robert Gerngross, VA 38868 Frida Gerngross, VA 38832 Marie Gerngross.


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